Tschernobyl zur Erinnerung! -
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Dokumente zu TschernobylDER SPIEGEL 19/1998 vom 4. Mai 1998 Seite 145 Ukraine Spätschäden bei Tschernobyl Zwölf Jahre nach dem Unglück von Tschernobyl meldet der ukrainische Gesundheitsminister Andrej Serdjuk, daß noch immer 3,2 Millionen Menschen auf radioaktiv verseuchtem Boden leben. Von den insgesamt 350 000 Helfern, die sich an der Eindämmung der Katastrophenfolgen beteiligt hatten, starben 12 519 an Schilddrüsenkrebs, Leukämie, Gefäß- und Strahlenkrankheiten, davon 2197 im vergangenen Jahr. Die Zahl der Fälle von Schilddrüsenkrebs bei Kindern habe sich gegenüber 1986 verzehnfacht, mit weiter steigender Tendenz. Der Leiter der Tschernobyl-Filiale des Kurtschatow-Instituts für Atomphysik, Alexej Borowoi, rechnet mit einer zehnprozentigen Wahrscheinlichkeit, daß der Betonmantel über Block IV des Atomkraftwerks unter normalen seismischen und metereologischen Bedingungen noch in diesem Jahr einstürzen wird. Freitag, 26. April 1996 Ärzte Zeitung Ausgabe 78, Seite 27 Zehn Jahre danach: Am meisten leiden Kinder und die Liquidatoren von 1986 Von Peter Hall Zehn Jahre nach der atomaren Tschernobyl-Katastrophe
werden ihre sozialen und gesundheitlichen Spätfolgen
immer deutlicher sichtbar. "Bei uns gibt es keinen
Bereich des Lebens, der nicht betroffen ist", erklärt
der weißrussische Tschernobyl-Minister Iwan Kenik. Donnerstag, 11. April 1996 Ärzte Zeitung Ausgabe 67, Seite 2 Presseschau Die Tschernobyl-Konferenz in Wien ist Anlaß neuer Debatten um die Atompolitik. Kritische Anmerkungen von der Badischen Zeitung Kaum hat die Konferenz zu Tschernobyl begonnen, macht ihre Präsidentin, Angela Merkel, auch schon klar, was am Ende herauskommen soll: An der Atomkraft soll festgehalten werden - mit neuer Entschiedenheit, ganz gleich, was vor zehn Jahren geschah und was in Wien noch alles an Erkenntnissen dazu auf den Konferenztisch kommen mag. Sollte Greenpeace allerdings Recht haben damit, daß die Beseitigung der Folgen von Tschernobyl am Ende 300 Milliarden Dollar kosten wird und nicht jene läppischen 2,5 Milliarden, die bis heute bereitgestellt sind, wäre noch offensichtlicher: Wer unverdrossen auf Atomkraft setzt, lädt sich nicht nur schwere gesundheitliche und soziale Risiken auf, er risikiert auch einen finanziellen Super-GAU. Alles Risiken, die tragbar sein sollen? Kommentar: Donnerstag, 18. April 1996 Ärzte Zeitung Ausgabe 72, Seite 1 Aktion Mensch-Umwelt unterstützt Kinderklinik in Kiew In der Ukraine erkranken jedes Jahr 650 Kinder an Leukämie Bonn (rv/hb). Zehn Jahre nach der
Reaktorkatastrophe von Tschernobyl leiden immer noch
viele Menschen unter den Spätfolgen des Unfalls. Zwar
werde von offizieller Seite bestritten, daß seit 1986
die Zahl der Leukämie-Kranken in der Ukraine gestiegen
ist. Doch jährlich erkrankten rund 650 Kinder in der
Ukraine an Leukämie, und immer mehr krebskranke Kinder
seien auf Medikamenten-Lieferungen aus dem Westen
angewiesen, erklärte Manfred Bäuerle gestern in Bonn. Montag, 22. April 1996 Ärzte Zeitung Ausgabe 74, Seite 4 Internationaler Tschernobyl-Kongreß in Berlin /Strahlenmediziner Lengfelder: An Spätfolgen des Reaktorunfalls sind bisher 25 000 Menschen gestorben Berlin (pha). An den Spätfolgen der atomaren Katastrophe im ukrainischen Kernkraftwerk Tschernobyl sind bis heute rund 25 000 Menschen gestorben. Darauf hat der Münchener Strahlenmediziner Professor Dr. Edmund Lengfelder am Wochenende während des internationalen Kongresses "Tschernobyl - eine aktuelle Bilanz der Folgen" in Berlin hingewiesen. Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA)
und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), wonach der
Tschernobyl-Unfall bisher maximal 40 Menschen das Leben
gekostet hat, hält Kongreßpräsident Lengfelder für
"unsinnig". Insbesondere die IAEA, deren
Satzungszweck es sei, die Atomtechnik weltweit
fortzuentwicklen, ist nach seinen Worten "völlig
ungeeignet", die medizinischen Folgen des atomaren
Unfalls seriös aufzuarbeiten. Die IAEA habe bereits 1991,
als die Zahl der Schilddrüsentumoren bei Kindern schon
um das 30fache angestiegen sei, behauptet, daß die
radioaktive Belastung durch Tschernobyl zu keinen zusätzlichen
Krebsfällen führen werde. Dienstag, 23. April 1996 Ärzte Zeitung Ausgabe 75, Seite 5 Gedenken an Tschernobyl Kongreß fordert den Ausstieg aus der Kernenergie Berlin (pha). Mit der Forderung, die Nutzung der Atomenergie weltweit zu stoppen, haben rund 350 Teilnehmer den dreitägigen Kongreß "Tschernobyl - zehn Jahre danach" in Berlin beendet. Wie es in einer zum Abschluß der Konferenz
verabschiedeten Resolution heißt, sollen das seelische
Leid und die Traumatisierung der Menschen, die dem
radioaktiven Fallout nach der Reaktorkatastrophe
ausgesetzt sind, von Wissenschaft und Politik künftig
intensiver wahrgenommen werden. Das Schicksal der
Betroffenen müsse als Mahnung verstanden werden, die
"Risiken atomarer Großtechnologie immer wieder neu
zu bedenken". Mit Blick auf die Spätfolgen von
Tschernobyl sei es notwendig, gegen einen "drohenden
kollektiven Gedächtnisverlust" anzugehen, stellen
die Teilnehmer der vom Münchner Otto-Hug-Strahleninstitut
und den Ärzten für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW)
organisierten Konferenz fest. Die AtomjunkiesAuszüge des Artikels von Joachim Wille aus Frankfurter Rundschau 26. April 1996, Die Seite Drei Was geschah am 26. April 1986? Ein Unfall? Eine Havarie? Ein Super-GAU? Eine Katastrophe? Es entstand ein "herrenloses Objekt der Menschheit", wie der Filmemacher Alexander Kluge den ausgebrannten Reaktor in Tschernobyl nennt, vergleichbar den Pyramiden, die als historischer Markstein fest zu unserem Planeten gehören... (Tschernobyl) nicht als Weltwunder jedoch, sondern als unauslöschliches Mahnmal menschlicher Hybris... Die Bilanz der vergangenen zehn Jahre zeigt, daß die Welt mit einer Bedrohung, wie sie in Tschernobyl Wirklichkeit wurde, nicht angemessen umgehen kann. Kein gesunder Menschenverstand hätte 1986 vorausgesagt, daß 1996 noch immer über die endgültige Stillegung des Kraftwerks verhandelt wird, zu dessen "Zähmung" über eine halbe Millionen "Liquidatoren" eingesetzt werden mußten... Statt grundsätzlich ü+ber für West, Ost und Süd umzudenken - schließlich existiert nirgendwo auf der Welt ein Reaktor, der vor einem Super-GAU gefeit ist - beschwört man im Strahlenschatten un Co. lieber eine "neue globale Kultur der nuklearen Sicherheit" (Hans Blix, Chef der internationalen Atombehörde). Ein Tschernobyl reicht. Ob das alle ernst meinen? 19.-21. April 1996 Otto Hug Strahleninstitut - und Internationale Ärzte für die in Zusammenarbeit mit: Ärtzekammer Berlin Schirmherrschaft: Prof. Dr. Rita Süßmuth Kongreßpräsident: Prof. Dr. Dr. h.c. Edmund
Lengfelder Internationaler Kongreß Tschernobyl - 10 Jahre danach: Resolution Der Kongress macht sich mit Nachdruck den Standpunkt zu eigen, der im Grußwort der Schirmherrin des Kongresses ausgesprochen worden ist: Das Leid all der betroffenen Menschen muß uns eine ständige Mahnung sein, die Risiken atomarer Großtechnologie und deren Folgen für Mensch und Natur immer wieder neu zu bedenken. Gerade die Betroffenheit über die Risiken menschlicher Fehlhandlungen sollte dazu führen, die Grenzen bestehender technischer Standards besser erkennen zu lernen und darauf politisch zu reagieren. Sie hilft uns aber auch, nach der ersten Katastrophe - dem Reaktorunfall - ebenso gegen die "zweite Katastrophe", die des Verschweigens und Vergessens, anzugehen. Wir brauchen profunde fachliche Erkenntnisse von Betroffenen und Beteiligten ebenso wie aus den verschiedenen Zweigen der Wissenschaft, um zu verbesserten Urteilen und politischen Entscheidungen zu gelangen. In das Zentrum der Darstellung und Auseinandersetzung gehört auch das, was durch die Katastrophe an seelischem Leid, an Traumatisierung, Ängsten, zerstörten Bindungen und Vertrauensverlusten mitverursacht worden ist. Es ist notwendig, gegen den drohenden kollektiven Gedächtnisverlust anzugehen, auf die aktuelle Notsituation der Betroffenen aufmerksam zu machen und Wissen darüber zu vermitteln. Der Kongress wendet sich mit Entschiedenheit gegen falsche und begatellisierende Behauptungen der Internationalen Atomenergie Organisation IAEA und der mit ihr verbundenen Organisationen und Wissenschaftler, die sowohl in der Folge des durch sie durchgeführten Internationalen Tschernobyl-Projekts als auch in Tagungen der letzten Monate verkündet worden sind. Deren Behauptungen über die Zahl der durch Tschernobyl verursachten Opfer, der Kranken und Toten, die sich auch auf die Empfehlungen bestimmter wissenschaftlicher Kreise gestützt haben, wurden durch die Realität und die heute vorliegenden Fakten widerlegt. Als Organisation, deren satzungsgemäße Aufgabe die weltweite Ausbreitung und Beschleunigung der Atomenergienutzung ist, ist die IAEA nicht frei von starkem Eigeninteresse und kann nicht als Institution gelten, die die Folgen eines atomaren Unfalles neutral untersucht udnd bewertet. Angesichts der 10 Jahre Erfahrung nach der Katastrophe im Atomrekator in Tschernobyl unterstreicht der Kongress den Apell und die Forderung, unverzüglich die Nutzung der Atomenergie zu beenden. (Verabschiedet im Plenum am 21.4.1996 mit ca 350 Ja- und 2 Nein-Stimmen) Tschernobyl, die Verstrahlung geht weiter........Bericht über eine Veranstaltung der IPPNW-Hamburg am 13. April 1996 Dr. Dorothea Wagner-Kolb eröffnete die Veranstaltung in der Aula der Gasamtschule in Hamburg-Eimsbüttel und erinnerte daran, daß die Katastrophe durch,in und um Tschernobyl mit aller Heftigkeit weitergeht. Sie war gerade von einer Reise in die Katastrophenregion zurückgekehrt und berichtete über die desolaten Zustände in der verstrahlten Region. Prof. Otmar Wassermann berichtete über die Potenzierung von Niedrigstrahlung mit anderen Noxen und und die dadurch exponentiell ansteigende Schädigung des Organismus. Ein Wunder, daß die Reparaturmechanismen der Zellen dem überhaupt noch widerstehen, ein Zusammenbruch sei absehbar. Dr. Hayo Dieckmann wies an gut belegten Recherchen nach, daß die Leukämiefälle um Krümmel mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch Radioaktivitätaustritt aus dem AKW Krümmel verursacht wurden. Wolfgang Ehmke machte uns Mut in der Beurteilung unserer Arbeit gegen die Atomkraftbefürworter. Die Einlagerung eines Castorbehälters pro Jahr erfordere ca. 400 Jahre Beschickungszeit des Zwischenlagers Gorleben, wenn nicht sogar länger bei der geplanten Zahl von ca. 400 Castorbehältern. Diese Verlangsamung und Verzögerung der Atommülleinlagerung sei auch ein Erfolg. Weitermachen im Widerstand gegen die Atomkraftbefürworter, das war seine Schlußfolgerung. Viel Zeit hatten wir zur Diskussion mit den Vortragenden; wir, eine Gruppe von ca. 80 Hamburgern, Schleswig-Holsteinern, Niedersachsen. Und der IPPNW-Vorstand war auch dabei. ceterum censeo et censeamus: Die Tschernobylkatastrophe ereignete sich nicht am 26.4.1986, sie begann am 26.4.1986. In den Atomreaktoren wird weltweit Uran gespalten, um in der Gegenwart Energie zu gewinnen, und die zukuenftige Welt unserer Kinder und Kindeskinder wird radioaktiv verseucht. Denn sicher ist: Technik und Menschen sind fehlbar. Der Ausstieg aus der Atomenergie ist deshalb notwendig, und zwar sofort. Quelle: Überlegungen, angestellt 10 Jahre nach der Katastrophe vonTschernobyl...Der Katastrophenschutz für unsere heimischen Atomkraftwerke ist nicht mehr zeitgemäß Im Falle eines großen Unfalles... ... müßten unvorstellbar mehr Menschen evakuiert werden, als bishervorgesehen. Noch immer werden neue Erkenntnisse ignoriert. Für die bayerischen Atomkraftwerke gelten, wie auch für alle anderen bundesdeutschen Anlagen, immer noch veraltete Berechnungen und Katastrophenschutzpläne. Diese gehen von einer - völlig ungenügenden - Vorwarnzeit von 24 Stunden aus und enden bei einem zu kleinen Evakuierungsradius von 10 km. Die derzeit gültigen Pläne für den Katastrophenschutz sehen keine Evakuierung weiterer Bürger bei einem Atomunfall in unseren Atomkraftwerken vor. Dabei müßte bei einem Atomunfall ein Großraum von 50 km um das Atomkraftwerk vollständig evakuiert werden - und das binnen 3 - 5 Stunden! Seit 1989 ist die Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke Phase B veröffentlicht. Sie ist Atomkraftbetreibern und den für den Katastrophenschutz zuständigen Landräten und Ministerien zugänglich. Diese Studie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Reaktorsicherheit erstellt, die den Betreibern von Atomkraftwerken freundlich gesinnt ist. Die brisanten Aussagen dieser Studie sind:
Obwohl diese Studie allen Verantwortlichen bekannt ist, wird sie totgeschwiegen. Lediglich das Sozialministerium in Schleswig-Holstein hat auf Grundlage dieser Studie eine Modellrechnung für den Standort Krümmel beauftragt. Aus diesen Berechnungen geht klar hervor:
Mit diesen Fakten hat die Ulmer Ärzteinitiative die für den Katastrophenschutz relevanten Behörden unseres heimatnahem Atomkraftwerks Gundremmingen seit 1991 konfrontiert. (Bayerisches Staatsministerium des Innern, Regierungspräsidium Stuttgart, Landratsämter Günzburg, Dillingen, Augsburg, Neu-Ulm, Alb-Donau-Kreis, Städte Ulm und Neu-Ulm.) Diese Briefe wurden entweder gar nicht, ausweichend oder eindeutig abschlägig beantwortet. Diese Behörden hätten die Fürsorgepflicht, Schaden von der Bevölkerung abzuwenden. SZ vom 18.04.1996 Im Sondermüll-Ofen Ebenhausen Tschernobyl-Molke soll verbrannt werden Umweltminister Goppel hält den cäsiumhaltigen Stoff für ungefährlich Von Christian Schneider München - Umweltminister Thomas Goppel will endlich ein leidiges Thema 'abhaken', das ihm und seiner Behörde von der Reaktor-Katastrophe vor zehn Jahren in Tschernobyl in der Ukraine geblieben ist: die Beseitigung radioaktiv verseuchter Molke. Jetzt soll das verstrahlte Pulver, das zuletzt in einer Halle im oberbayerischen Forsting im Landkreis Rosenheim gelagert worden ist, als Sondermüll verbrannt werden. Ansonsten, so die Bilanz des Ministers, habe der Atom-Unfall keine bleibenden Schäden im Freistaat hinterlassen. Bei dem mit Cäsium 137 verstrahlten Molkepulver (insgesamt 1 900 Tonnen), handelt es sich um jenen Stoff, von dem der damalige Umweltminister Alfred Dick tapfer einige Portionen in sich hineinlöffelte. Bewiesen werden sollte mit dieser bundesweit belächelten Aktion, wie harmlos die radioaktive Verstrahlung nach Tschernobyl sei. Dies gilt nach Darstellung Goppels erst recht für heute. Die Molke sei auch nach EU-Grenzwerten nur mehr so gering belastet, daß sie eigentlich aus ihrer Quarantäne befreit und als Futtermittel verkauft werden könne. Aber, so der Minister, 'keiner will sie haben'. Da die Lagerung des Pulvers zuletzt aber 200 000 Mark Kosten pro Jahr gekostet habe, soll es nun als Abfall beseitigt werden. Goppel kündigte an, die Tschernobyl-Restlast werde in den Öfen der Sondermüllverbrennungsanlage Ebenhausen bei Ingolstadt verbrannt. Gefahren oder Belastungen für die Umwelt seien dabei nicht zu erwarten, versicherte Professor Albrecht Kellerer vom Strahlenbiolgischen Institut der Universität München. 99,9 Prozent des Cäsiums 137 würden in der Flugasche und der Verbrennungsschlacke zurückgehalten. Beides soll in einem unterirdischen Depot für Sondermüll endgelagert werden. Nach den Worten Goppels hat 'ein südlicher Nachbar von Bayern' seine verstrahlte Molke damals 'einfach in die Donau gekippt'. Die bayerische Beseitigungsaktion, die in etwa einem Vierteljahr abgeschlossen sein soll, wird rund zwei Millionen Mark kosten. Umweltminister Goppel stellte allerdings klar, daß Wildfleisch und Pilze aus Ostbayern und der Oberpfalz immer noch deutlich kontaminiert sind. Bei Wildschweinfleisch und Maronenröhrlingen sind auch im vergangenen Jahr noch Radiocäsiumgehalte von weit über 1000 Becquerel pro Kilogramm festgestellt worden. Einen vorsorglichen Hinweis seiner Behörde hält Goppel gleichwohl nicht für nötig. Allerdings werde das Wildschweinfleisch aus dieser Region an die Wölfe im Nationalpark verfüttert. Auch nach Tschernobyl hätten sich für die deutschen
Kernkraftwerke keine Konsequenzen ergeben, sagte der
Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen und
Reaktorsicherheit, Professor Adolf Birkhofer. Allerdings
habe man zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen.
Einig ist sich Goppel mit Birkhofer, daß die osteuropäischen
Kernkraftanlagen nach wie vor ein Sicherheitsrisiko
darstellen. Birkhofer hält technische Nachrüstungen
dort nur für bedingt möglich. Er empfahl eine enge
fachliche Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarn vor
allem beim Aufbau einer 'kompetenten und unabhängigen
Aufsichtsbehörde' der Atomindustrie. Wie Minister Goppel
sagte, gibt es inzwischen sogenannte
Sicherheitspartnerschaften zwischen bayerischen und
osteuropäischen Kernkraftwerksbetreibern. Zehn Jahre
nach Tschernobyl ist für die Staatsregierung ein
Ausstieg aus der Kernenergie weniger denn je ein Thema. SZ-ONLINE: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutscher
Verlag GmbH, München SZ vom 08.02.1996 Zeitbombe Tschernobyl tickt weiterDoch allein mit der Abschaltung des Reaktors ist es nicht getan Tschernobyl, knapp zehn Jahre danach: Am 26. April 1986 ereignete sich in dem ukrainischen Kernkraftwerk jene folgenschwere Explosion, die der Welt die Risiken der Atomkraft drastisch vor Augen führte. Bei dem Unfall wurde 200mal soviel Radioaktivität wie durch die Atombomben in Hiroshima und Nagasaki freigesetzt, Tausende Menschen starben. Bis heute ist die Zeitbombe nicht entschärft. Der Betonmantel, der rund um den Unglücksreaktor angelegt wurde, ist brüchig, es fehlt an Fachleuten für den Betrieb der Nuklearanlage. Und die Verhandlungen des Westens mit der Ukraine über eine endgültige Abschaltung des Meilers, dessen Blöcke eins und drei weiter Energie produzieren, ziehen sich hin: Die Ukraine nutzt die Angst vor einem erneuten Atomunfall, um die finanziellen Zusagen des Westens hochzutreiben. Doch mit der Zusage einer völligen Stillegung Tschernobyls ist es nicht getan: Westliche Experten warnen, daß dies allein der Sicherheit keineswegs dienen würde. Der Vorsitzende der deutschen Reaktorsicherheitskommission, Professor Adolf Birkhofer, befürchtet, daß die Ukraine in diesem Fall jedes Interesse verlieren würde, in Tschernobyl noch Geld zu investieren. Birkhofer hält rasche technische Veränderungen aber für unerläßlich, um den sicheren Betrieb bis zur Stillegung zu gewähren. Es sei unverantwortlich, auf Verbesserungen des Brandschutzes, der internen Stromversorgung und des Kühlsystems zu verzichten. Die wirtschaftlich am Boden liegende Ukraine, die ein Drittel ihres Energiebedarfs aus einer maroden Atomindustrie deckt, kann sich eine Stillegung derzeit nicht leisten. Nach Angaben der Kraftwerksleitung von Tschernobyl wird gegenwärtig sogar geprüft, ob auch Block zwei, der 1991 nach einem Brand abgeschaltet worden war, wieder angefahren werden kann. Im Juli werde entschieden, dann seien die Untersuchungen abgeschlossen. Zwar haben die Ukraine und die sieben führenden Industriestaaten (G-7) Ende Dezember in der kanadischen Hauptstadt Ottawa ein Memorandum unterzeichnet, das die Abschaltung Tschernobyls im Jahr 2000 vorsieht. 500 Millionen Dollar (umgerechnet 750 Millionen Mark) wollen die G-7 als Subventionen zur Verfügung stellen, um die Stillegung zu finanzieren. Weitere 1,8 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Mark) sollen in Form von Krediten fließen. Doch das Datum für die Schließung ist für die Ukraine keineswegs absolut verbindlich, wie der Kiewer Umweltminister Juri Kostenko nach einem Gespräch mit Bundesumweltministerin Angela Merkel betonte. Frau Merkel hatte Gelegenheit, sich vom Zustand des Unglücksreaktors zu überzeugen - sie besuchte Tschernobyl im Rahmen einer Reise in die Ukraine. Die Regierung in Kiew, dies wurde wohl auch Frau
Merkel klar, drängt auf höhere finanzielle Zusagen der
Industrieländer. Denn, so fürchtet man in Kiew, wer im
Westen wird sich noch um die Nöte des Landes kümmern,
wenn Tschernobyl erst abgeschaltet ist? Das Memorandum über
die Schließung, so machte ihr Kollege Kostenko deutlich,
müsse durch weitere Abkommen konkretisiert werden.
Zumindest ist Frau Merkel jetzt gewappnet: Sie soll den
Vorsitz für die Tschernobyl-Konferenz übernehmen, die
vom 8. bis zum 12. April in Wien auf Initiative der EU,
der Internationalen Atomenergie-Agentur IAEA und der WHO
stattfindet. SZ-ONLINE: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutscher Verlag GmbH, München Datum: 10.04.1996, Ressort: Spandau Autor:
Olga Hoos "Für Heimweh keine Zeit"Kladow lädt zum sechsten Mal Kinder aus der Tschernobyl-Region ein Adelheid Schütz war bereits mehrmals in Weißrußland
und konnte sich an Ort und Stelle ein Bild machen, wie es
dort aussieht. Ein Service von Berliner Zeitung, TIP BerlinMagazin,
Berliner Kurier und Berliner Abendblatt |