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Der Unfall 26. April 1986,
01:23 Uhr Block 4 des 130 Kilometer nordwestlich von Kiew gelegenen
ukrainischen Atomkraftwerkes Tschernobyl - gerät außer Kontrolle und geht
„durch". Die Uranbrennstäbe schmelzen, das Kühlwasser verdampft. Zwei
heftige Explosionen zerstören den Reaktor völlig. Der 1700 Tonnen schwere
Graphitblock geht in Flammen auf. Die Feuerwehrleute benötigten 10 Tage,
um den Brand zu löschen.

Viele von ihnen sterben an akuter
Strahlenkrankheit, denn die Radioaktivität gerät ungehindert in die
Umwelt. Sie zieht ganz Mitteleuropa in Mitleidenschaft, doch am
schlimmsten ist die Umgebung des Kraftwerkes betroffen. In der Ukraine,
Rußland und Weißrußland wird eine Fläche doppelt so groß wie Österreich
für Generationen verseucht. Rund um Tschernobyl wird eine
30-Kilometer-Sperrzone eingerichtet, die Stadt Pripjat evakuiert.
In aller Eile baut man rund um den zerstörten
Reaktor eine Betonhülle. Inzwischen ist dieser Sarkophag undicht und
einsturzgefährdet. Soldaten und Arbeiter, die bei den Aufräumungsarbeiten
und dem Bau des Sarkophages eingesetzt waren, zählen zu der am stärksten
geschädigten Menschen. Die Zahl dieser „Liquidatoren" wird von der UNO auf
800.000 geschätzt. Unzählige von ihnen sind krank, invalid und viele sind
inzwischen bereits tot. Aber auch viele Kinder
gehören zu den Opfern von Tschernobyl. Allein in der weißrussischen Region
Gomel tritt Schilddrüsenkrebs bei Kindern 200-mal häufiger auf als im
früheren Durchschnitt.
Tschernobyl in Zahlen (UNO-Angaben):
|
Ukraine |
Weißrußland |
Rußland |
Insgesamt |
Verseuchtes Gebiet |
42.000
km² |
62.400
km² |
57.650
km² |
160.000
km² |
Evakuierte Personen |
150.000 |
150.000 |
75.000 |
400.000 |
Betroffene Personen |
3,5
Millionen |
2,5
Millionen |
3
Millionen |
9
Millionen |
davon
Kinder |
2
Millionen |
500.000 |
500.000 |
3
Millionen |
Liquidatoren |
200.000 |
130.000 |
500.000 |
800.000 |
Jewgenija Dudarowa, damals 13 Jahre alt.
Nach der Reaktorkatastrophe wurde sie aus Pripjat evakuiert, genau wie
ihre beste Freundin Olga. „Olga und ich waren
unzertrennlich wie Schwestern. Wir wurden zusammen eingeschult, besuchten
denselben Musikunterricht, verbrachten die Freizeit zusammen und hatten
ähnliche Hobbies. Im Frühjahr fühlte sich Olga schlechter. Die Ärzte
fanden heraus, daß sie einen tödlichen Tumor hatte. Kurz darauf wurde sie
operiert und fühlte sich für einige Tage besser. Doch dann begann der
unerträgliche Schmerz von neuem. Sie können sich nicht vorstellen, wie
entschlossen sie war, ihre Krankheit zu besiegen. Doch bald war sie wieder
im Krankenhaus. Olgas Beine wurden gelähmt, kurz darauf auch ihre Arme.
Meine Mutter sagte mir, daß meine Freundin bald sterben würde. Ich konnte
das nicht glauben. Olga war glücklich, wenn ich sie im Krankenhaus
besuchte, an ihrem Bett saß und ihren Rücken streichelte, wo der Tumor
saß. Dann fühlte sie sich besser. Sie hatte schreckliche Schmerzen und
weinte fast die ganze Zeit. Sie war bis zum letzten
Moment bei Bewußtsein. Olga wußte, daß sie im Sterben lag und wollte
schneller sterben, um den furchtbaren Schmerzen zu entkommen. Gleichzeitig
hat sie den starken Willen zu leben und machte sich Sorgen, wie ich ohne
sie auskommen würde. Ich weiß nicht, wie ich jetzt
ohne sie leben soll. Ich weiß, daß ich nie wieder eine solche Freundin
finden werde. Ich habe eine Hälfte meines Lebens verloren, eine Hälfte von
mir, eine Hälfte der Welt. Warum machen Erwachsende solche Katastrophen?
Meine Freundin und ich waren erst drei Jahre alt, als der Reaktor
explodierte. Ich frage mich jetzt, ob mich dasselbe Schicksal erwartet."
[Testimonies - Greenpeace Chernobyl Papers
1/1996] |